Mittwoch, 5. Juli 2023

Rezension zu "Babel" (R. F. Kuang)

Bibliografische Daten zum Buch:
Titel: Babel
geschrieben von Rebecca F. Kuang
übersetzt von Heide Franck, Alexandra Jordan
Eichborn Verlag
Genre: Fantasy
Umfang: 733 Seiten, Hardcover
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-8479-0143-3
Ersterscheinung: 28.04.2023
Preis (Print): 26,00€
 
Klappentext:
1828. Robin Swift, den ein Cholera-Ausbruch im chinesischen Kanton als Waisenjungen zurücklässt, wird von dem geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht. Dort lernt er jahrelang Latein, Altgriechisch und Chinesisch, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem er in das Königliche Institut für Übersetzung der Universität Oxford - auch bekannt als Babel - aufgenommen werden soll. Oxford ist das Zentrum allen Wissens und Fortschritts in der Welt. Für Robin erfüllt sich ein Traum, an dem Ort zu studieren, der die ganze Macht des britischen Empire verkörpert. Denn in Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie. Das Silberwerk - die Kunst, die in der Übersetzung verloren gegangene Bedeutung mithilfe von verzauberten Silberbarren zu manifestieren - hat die Briten zu unvergleichlichem Einfluss gebracht. Dank dieser besonderen Magie hat das Empire große Teile der Welt kolonisiert.
Für Robin ist Oxford eine Utopie, die dem Streben nach Wissen gewidmet ist. Doch Wissen gehorcht Macht, und als chinesischer Junge, der in Großbritannien aufgewachsen ist, erkennt Robin, dass es Verrat an seinem Mutterland bedeutet, Babel zu dienen. Im Laufe seines Studiums gerät Robin zwischen Babel und den zwielichtigen Hermes-Bund, eine Organisation, die die imperiale Expansion stoppen will. Als Großbritannien einen ungerechten Krieg mit China um Silber und Opium führt, muss Robin sich für eine Seite entscheiden ...
(Quelle Daten, Text & Cover inkl. Copyright: Eichborn / Bastei Lübbe)
Babel ist das ideale Buch für Sprachwissenschaftler*innen mit Faible für historische Romane. Es dreht sich so viel um Übersetzungen, Etymologie, Wortbedeutung, den Sinn von Sprache, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr rauskommt, eingebettet in einem mühevoll recherchierten Setting des Englands im 19. Jahrhundert. Wer keinen Bezug zur Sprache hat und nicht mal den kleinsten Funken Interesse für die damalige politische Lage aufbringen kann, wird sich vermutlich im Laufe der Geschichte sehr langweilen. Und auch wer wie beworben eine spannende Fantasy-Geschichte ähnlich Harry Potter erwartet, wird nicht glücklich mit der Story.
 
Babel beinhaltet viele eindringliche Themen, es wird sich mit Rassismus und Gleichberechtigung beschäftigt, Unterdrückung von PoC, den Klischees und Vorurteilen der Weißen, politischen Kriegen und dem Widerstand, der sich dagegen erhebt. All das nimmt zurecht so viel Raum ein, dass ich das Buch nicht als Fantasy bezeichnen kann und möchte, da die eigentliche Geschichte nur wenig mit Magie zu tun hat. Es ist viel mehr eine historische Darstellung der damaligen Verhältnisse in England und auch China, die durch das Setting von Babel sichtbar gemacht und in einen größeren Kontext gebracht wird.
 
Protagonist Robin und seine drei Freunde bilden einen Jahrgang in Babel. Die vier sind so verschieden und dennoch verbindet sie das Schicksal der quälenden Ausbildung im Übersetzungs-Institut, welche eigentlich ein Privileg sein sollte. Was ich sehr faszinierend fand, war die Entwicklung, die man den jungen Erwachsenen im Laufe der Lehre anmerkt. Wie sich die Zeit in Babel auf sie auswirkt, wie sie immer mehr die politische Lage um sich herum wahrnehmen, wie sie Bezüge zu dem, was sie tun, herstellen, wie sie anfangen zu zweifeln. Das war ein spannender Prozess, den ich gern verfolgt habe, der in meinen Augen aber auch etwas gekürzter hätte ausfallen können.
 
Das Buch ist gefüllt mit seitenweise Ausführungen zur Etymologie, was ich anfangs noch interessant fand, mich aber spätestens nach einem Drittel dann sehr genervt hat. Viele Szenen und Geschehnisse wurden so aufgeplustert und in die Länge gezogen, dass man das Gefühl hatte, die eigentliche Handlung schreitet kaum voran.
Auch mit dem Ende bin ich sehr unzufrieden, erst wird der Plot bis zum Ende ewig in die Länge gezogen und dann werden die Lesenden mit einem halboffenen Finale im Regen stehen gelassen. Das war echt schade, da mir persönlich ein paar klärende Worte wichtig gewesen wären.
 
Mein Fazit:
Es wurde Fantasy angekündigt, aber davon war nichts zu sehen. Stattdessen hat man einen historischen Roman bekommen, der zwar mit vielen schockierenden Fakten aufwarten kann und Sichtbarkeit für die damalige Lage schafft, aber zugleich in Tonnen von etymologischen Fakten ertrinkt. Ich habe das Buch teils gelesen, teils gehört, und das meist auch gern. Aber ich habe mich auch viel gelangweilt und bin häufiger abgeschweift. Daher einige ich mich mit meinem Gewissen auf 3 von 5 Sternen. 
⭐⭐⭐