Titel: Feuererwachen
Autor: Rosaria Munda
ISBN: 978-3-03880-023-1
Preis (Hardcover): 20,00€ DE
Erscheinungsdatum:
21.08.2020
(Quelle Daten & Bild: Produktseite bei Arctis)
Klappentext:
Annie und Lee waren Kinder, als eine blutige Revolution ihre Welt radikal veränderte. Inzwischen Teenager, nehmen sie beide an einem Auswahlverfahren teil, um Drachenreiter zu werden, obwohl ihre Herkunft unterschiedlicher nicht sein könnte. Annie kommt aus einer Familie von Leibeigenen, die durch das Drachenfeuer des alten Regimes getötet wurde; Lee ist der hochgeborene Sohn eines Drachenherrn, der bei der Revolution einen grausamen Tod fand. In der neuen Ordnung, die auf Leistung anstelle von Herkunft setzt, müssen beide ihren Weg finden. Doch dann droht ein Krieg, denn die alten Drachenherren wollen sich ihre Herrschaft zurückholen – und Annie und Lee werden zu schwerwiegenden Entscheidungen gezwungen …
"Ich bin bekennender Romantasy-Fan", sagte sie. "Ich bin unsicher, ob das was für mich sein könnte", sagte sie. Und sie wurde eines Besseren belehrt.
Von „Feuererwachen“ hatte ich im
Vorfeld die Erwartung, es würde eventuell politisch werden, düster
und vielleicht etwas zu unpersönlich, wie ich es oft bei reinen
Fantasy-Büchern empfinde. Dort gibt es häufig für meinen Geschmack
zu viele Figuren, viele Intrigen, viele Wendungen und das über
viiiiele, viele Seiten. Auch wie die Beziehung zwischen Annie und Lee
aussieht, wusste ich nicht, ich konnte anhand des Klappentextes
absolut nicht einschätzen, ob irgendwo in diesem Buch die typische
Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten auftauchen würde, die
ich normalerweise so gern habe.
Doch nach den ersten Seiten war mir das
alles völlig egal.
Es begann damit, dass ich sehr erfreut
feststellte, dass Lee und Annie aus ihren Ich-Perspektiven berichten
und das abwechselnd. Mir persönlich ist diese Erzählweise die
liebste, da man so eine engere Beziehung zu den Figuren aufbauen kann
und durch die Wechsel zusätzlich Bewegung in die Geschichte kommt.
Außerdem waren die Einblicke in die Gedanken und Gefühle der beiden
oft so bewegend und aufschlussreich, dass ich der Autorin regelrecht
dankbar bin dafür, dass sie diese Erzählperspektive für ihre
Protagonisten ausgewählt hat. Sowohl Annie als auch Lee haben eine
erdrückende und teils gemeinsame Vergangenheit, in der sich dunkle
Geheimnisse tummeln, die die beiden regelmäßig heimsuchen und durch
diese unmittelbare Nähe zu den Figuren konnte man direkt daran
teilhaben.
Generell sind die Figuren in diesem
Buch etwas Besonderes. Fast alle, auch die Nebenfiguren, haben einen
einzigartigen, detaillierten Charakter auf den Leib geschrieben
bekommen und verleihen der Geschichte dadurch Farbe, doch was sie
wirklich lebendig macht, ist die Wandlung, die sie durchmachen. Bei
Annie ist diese Entwicklung am deutlichsten sichtbar, was einer der
Gründe ist, die sie zu meiner Lieblingsfigur machen.
Man lernt Annie als relativ
schüchternes aber vor allem in gesellschaftlichen Situationen
unsicheres Mädchen kennen. Sie weiß nie, wie sie sich verhalten
soll, wie es angemessen wäre und da sie zu großen Teilen in einem
Waisenhaus aufgewachsen ist und dann zur Drachenreiterin in ein
komplett neues Leben erwählt wurde, kann ich ihre Unsicherheit auch
mehr als gut verstehen. Da ich mich selbst genau so ungern im
Rampenlicht befinde wie Annie, hatte ich sofort einen Draht zu ihr,
der auch im Laufe der Geschichte nie abgerissen ist, selbst als sie
zusehends selbstbewusster wurde, angefangen hat, für sich selbst
einzutreten und allen Zweiflern und Kritikern die Stirn zu bieten.
Ihre Wandlung von der kleinen Maus zur mutigen, jungen Frau hat mir
imponiert und es tat so gut zu sehen, wie sie langsam aber sicher
immer weiter aufgeblüht ist und endlich mal an sich selbst gedacht
und vor allem auch geglaubt hat.
Lee ist ihr Gegenstück, der Ruhepol.
Der stets gut vorbereitete, wohl angepasste und selbstbewusste junge
Mann, der einfach in allem gut ist und generell irgendwie zu perfekt
ist, um wahr zu sein. Aber nicht auf eine träumerische, kitschige
Art und Weise, sondern eher auf eine bodenständige, realistische.
Man erfährt schon im Klappentext, dass hinter dieser makellosen
Fassade ein mühsam behütetes Geheimnis steckt, und Lees Verhalten
vielleicht mehr ist als bloßes Training. Böse Zungen würden sagen,
es liegt ihm einfach im Blut.
Doch er musste in diesem Buch mehr
Opfer bringen als alle anderen. Sein Wille und seine Treue wurden auf
eine Weise gefordert, wie sie grausamer kaum sein könnte und dieser
loyale, tapfere, liebenswerte Mann hat sich meinen größten Respekt
dafür verdient, dass er daran nicht zerbrochen ist. Vielleicht noch
nicht.
Natürlich wurde es auch politisch, und
das gar nicht mal so wenig. Doch es wurde alles so ausführlich
erläutert, dass ich problemlos mitgekommen bin, im Notfall hätte
auch ein Glossar am Ende des Buches Abhilfe schaffen können, auch
was die Namen der Drachen betrifft.
Mit denen hatte ich allerdings so gar
keine Probleme, da die fast immer mit den Namen ihres Besitzers im
Zusammenhang verwendet werden und so perfekt zugeordnet werden
können.
Einzeln für sich, wild sozusagen,
tauchen die Drachen in der Geschichte zwar nicht auf, was ihnen
allerdings nicht den Charakter nimmt. In Luftkämpfen und im Umgang
mit ihren Reitern merkt man erstens deutlich, wie verschieden die
Tiere sind, zweitens aber auch, wie nah sie ihren menschlichen
Freunden stehen. Sie leben und sterben zusammen, und wenn nicht
körperlich, dann zumindest seelisch.
Dieses Buch zu lesen hat sich
angefühlt, als hätte man eine ganze Buchreihe verschlungen. Es ist
so viel passiert auf verhältnismäßig so wenig Seiten, aber nicht
auf eine schlechte, überladene Art und Weise. Während des Lesens
haben sowohl die Figuren als auch die Geschichte an sich eine so
große Wandlung durchgemacht, dass ich tatsächlich das Gefühl
hatte, ich hätte gerade eine mehrteilige Saga beendet anstatt nur
ein einzelnen Buch, dessen Lektüre mich gerade mal drei Tage
gekostet hat. Ich war gefangen in Callipolis, habe gelitten und mich
gefreut, mitgefiebert und die ganze Welt verflucht, war entsetzt und
begeistert zugleich. Die Story hatte einen Sog, dem ich mich nicht
entziehen konnte und der all meine Bedenken zerstreut hat.
Mein Fazit:
Ich habe selten in einem Buch
gleichzeitig so stark geliebt und gehasst wie in diesem. Die Figuren
sind unbeschreiblich gut ausgearbeitet, das Worldbuilding ist
grandios und die Geschichte hatte mich von der ersten bis zur letzten
Seite in ihrem Bann. Ein großes Muss für alle Fantasy- und
Drachen-Fans. Ich bin bereit für Band 2 und vergebe volle 5 von 5
Sternen!
★★★★★🐉
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