Titel: Die Nachtbushelden
Autor: Onjali Q. Raúf
Autor: Onjali Q. Raúf
Verlag: Atrium Kinderbuch
ISBN: 978-3-85535-656-0
ISBN: 978-3-85535-656-0
Format: Hardcover
Seiten: 288
Erscheinungsdatum: 18.03.2021
Seiten: 288
Erscheinungsdatum: 18.03.2021
Preis: 15,00€
Klappentext:
Klappentext:
Ich heiße Hector – meine Eltern haben eine Schwäche für griechische Helden. Aber ich glaube, dass sie es bereuen, mir diesen Namen gegeben zu haben. Sie hätten mich lieber »Katastrophe« oder »Hoffnungsloser Fall« nennen sollen. Eigentlich habe ich mich damit abgefunden, dass ich immer nur Ärger bekomme. Aber seit ich dem Mann, der im Park wohnt, einen Streich gespielt habe, ignorieren mich alle nur noch. Dabei habe ich sogar versucht, es wiedergutzumachen! Noch nicht mal jetzt, wo ich einem Komplott gegen die Obdachlosen der Stadt auf die Schliche gekommen bin, hört mir jemand zu! Alle denken, dass ich nur ein Mobber bin. Aber ich werde ihnen beweisen, dass auch ich ein Held sein kann!(Quelle Daten, Text & Cover: Produktseite bei W1-Media)
„Die Nachtbushelden“ ist ein Buch,
was Zeit gebraucht hat, um mich von sich überzeugen zu können. Ich
habe noch nie derart mit dem Anfang einer Geschichte, die ich doch
eigentlich so gern lieben wollte, zu hadern gehabt, glaube ich. Meine
Erwartungen in das Buch waren immens hoch und gerade deshalb war ich
zunächst sehr ernüchtert, als nicht direkt der erhoffte Hype bei
mir eingesetzt hat. Doch wie sagt man so schön, gut Ding will Weile
haben.
Der Hauptgrund für meinen anfänglichen
Begeisterungsdämpfer war nicht etwa der Schreibstil, der war
tadellos. Locker, nicht zu konstruiert oder kompliziert und im
lässigen, umgangssprachlichen Ton des Problemschülers und
Ich-Erzählers Hector kommt die Geschichte daher, perfekt auf die
Zielgruppe abgestimmt und für mich eine Wohltat zu lesen, da die
Seiten nur so dahinflogen. Ich schätze es sehr, wenn Autoren es
schaffen, dass ihre Bücher sich quasi von selbst lesen, ein großes
Lob dafür.
Der Grund, weshalb ich zunächst
befürchtete, die Erzählung und ich könnten keine Freunde werden,
war jedoch ähnlich verheerend, wie ein verkorkster Schreibstil es
gewesen wäre: Der Protagonist ist ein unsympathischer Problemfall,
der seinesgleichen sucht. Im Klappentext war noch die Rede von einem
„hoffnungslosen Fall“, der ein paar Streiche spielt, das klang in
meinen Ohren nicht so dramatisch.
Doch man bekommt einen Mobber, einen
gemeinen Dieb, Schläger, Lügner und Schikaneur, einen aus der ganz
untersten Schublade. Nicht einfach nur jemanden, der zu dummen
Scherzen aufgelegt ist, sondern eines dieser Kinder, deretwegen wir
früher in der Schule immer die größten Ängste ausgestanden haben,
wenn sie auch nur in unsere Richtung geschaut haben, eines dieser
Kinder, die selbst vor dem Mobbing und der Respektlosigkeit an
Erwachsenen keinen Halt machen.
Die ersten Kapitel haben schon
gereicht, um mir eine Meinung von Hector zu bilden. Und mir gefiel
dieses Bild von ihm ganz und gar nicht, entsprechend schwer hatte der
Junge auch zu schuften, um mich doch noch im Laufe des Buches von ihm
zu überzeugen.
Das Gute war, neben meiner Abneigung
gegen Hector hat die Geschichte es dennoch geschafft, mich nicht nur
lose bei der Stange zu halten, sondern ernsthaft zu fesseln,
Protagonist hin oder her. Ich war fasziniert und begeistert davon,
wie Obdachlose hier in das Geschehen eingebunden werden und was sie
für eine tragende Rolle spielen, aber mindestens im gleichen Maße
schockiert darüber, wie viel Unrecht ihnen getan wird und habe
mitgefiebert, ob und wie sich das Blatt noch zu ihren Gunsten drehen
könnte.
Es war für mich von Anfang an klar,
dass Hector nicht der uneinsichtige, rücksichtslose und gemeine
Junge bleiben wird, der er zunächst noch ist. Wenn dem so gewesen
wäre, wäre das Buch eine herbe Enttäuschung gewesen. Doch so komme
ich nicht umhin, die Figurenentwicklung in diesem Buch zu loben und
mich über sie zu freuen. Hector mausert sich extrem doch es wirkt zu
keinem Zeitpunkt unrealistisch oder zu schnell. Sein Charakterwandel
zieht sich passend und nachvollziehbar durch das ganze Buch und hat
mir am Ende sogar fast eine Träne abverlangt.
Das Buch hat eine klare Message: Helft!
Schaut nicht tatenlos zu oder verschlimmert das Problem sogar.
Obdachlose sind in den meisten Fällen Menschen wie du und ich, nur
mit schlimmer Vergangenheit und berührendem Schicksal, die es
genauso verdienen, respektvoll und menschlich behandelt zu werden.
Klar, schwarze Schafe gibt es überall. Aber die gibt es auch unter
denen, die ein Zuhause haben. Die meisten wollen einfach nur
überleben und sind dennoch das Ziel täglicher Schikane.
Das darf und soll so nicht sein, darum
gibt es nach der eigentlichen Geschichte noch ein Glossar mit
Erläuterungen zu Obdachlosen allgemein, zu Organisationen, die
helfen können, zu verwendeten Zeichen, die im Buch eine wichtige
Rolle spielen und mit Anregungen und Arbeitsaufträgen für die
Leser, die sich sowohl auf das Buch, als auch auf das „echte“
Leben beziehen. In meinen Augen stellt der Anhang einen enormen
Mehrwert dar und ich habe mich sehr darüber gefreut, denn gerechnet
hätte ich damit nicht. Eine fantastische Ergänzung von der Autorin!
Ich habe lange überlegt, wie ich das
Buch bewerten soll. Hector hat mich nun mal am Anfang erheblich viel
Beherrschung gekostet, das kann ich auch nicht ignorieren. Allerdings
müsste ich lügen, würde ich sagen, ich fände seine Perspektive
nicht auch spannend dargestellt.
Und was ich der Autorin uneingeschränkt
zugute halten muss, ist nun mal, dass ich trotz Hector nie das
Interesse an der eigentlichen Geschichte verloren habe, dass ich das
Thema dennoch gern verfolgt habe. Ich habe mich im Schreibstil
verloren und das Buch an wenigen (kurzen!) Abenden beenden können.
Mein Fazit:
Nach langem Überlegen
vergebe ich für das Buch 4,5 von 5 Sternen. Wäre Hector von Anfang
an weniger ätzend gewesen, hätte es volle Punktzahl gegeben. Und so
gern ich für seinen Charakter mehr abziehen würde, verdient hätte
er es, es geht einfach nicht, denn: Das Buch hat mich schlichtweg
gefesselt und das Anliegen hinter der Story war berührend und
tiefgründig. Ich habe am Ende genau das bekommen, was ich mir
erhofft hatte, nämlich eine Geschichte, die ans Herz geht, eine
Wandlung vom Nichtsnutz zum Helden, einen Appell an die Menschen, es
besser zu machen.
⭐⭐⭐⭐,5