Mittwoch, 23. Juni 2021

Rezension zu "Bestiarium" (Christian Heck, Rémy Cordonnier)

Bibliografische Daten zum Buch:
Titel: Bestiarium. Das Tier in mittelalterlichen Handschriften
Autor*in: Christian Heck, Rémy Cordonnier
Erscheinungstermin:  29.09.2020
Abbildungen: 600, farbig
Seiten: 620
Ausstattung: Hardcover im Schuber
ISBN: 978-3-534-27202-0
Verlag: wbg Edition  
 
Klappentext:
Mittelalterliche Handschriften sind Kunstwerke von unschätzbarem Wert. Aufwendige Verzierungen und schön gestaltete Initialen illustrieren die Texte. In den illuminierten Handschriften ist die ganze Bandbreite mittelalterlicher Buchkunst zu finden: von schlichten Zeichnungen bis hin zu farbenprächtigen Gemälden.
Das Tier nimmt in der Buchmalerei einen zentralen Platz ein. In diesem Bildband beleuchten Rémy Cordonnier und Christian Heck die Rolle des Tieres in mittelalterlichen Handschriften und erklären Überlieferung, Symbolik und Ikonografie der Tierbilder. Kompetent und umfassend geben die Autoren eine Einführung in das mittelalterliche Weltbild, das den Lesern erlaubt, die Bilder in den jeweiligen historischen Kontext einzuordnen.[...]
(Quelle Daten & Text: Produktseite bei wbg)
Für dieses Buch muss ich vermutlich etwas weiter ausholen. Ich bin normalerweise kein allzu riesiger Fan von Sachbüchern, es sei denn, mich spricht das Thema wirklich auf den ersten Blick an. Es muss einen Funken geben, sonst weiß ich genau, dass ich mich nur durchquäle, wenn ich es halbherzig anfange. Bei diesem Buch gab es Funken, und das enorm viele. Es ist einer Hausarbeit über ein Geschichtsseminar zu verdanken, dass ich dieses Bestiarium kennen und lieben lernen durfte, sonst hätte ich mich wahrscheinlich niemals auf die Suche nach so etwas gemacht.
 
Es ist nicht so, dass mich Geschichte im allgemeinen sehr interessiert, da bin ich ehrlich. Aber was mich interessiert, sind Fabelwesen. Und parallel zu den Fabelwesen habe ich gemerkt, wie anders die Sicht auf Tiere im Mittelalter noch war im Vergleich zu jetzt, daher war das Buch ein absoluter Volltreffer. Dort wird das Tier in mittelalterlichen Handschriften detailliert anhand diverser Aspekte aufgeschlüsselt und mit Bildern versehen, zudem findet man nicht nur „normale“ Tiere, die im Alltag der Menschen damals eine Rolle gespielt haben, sondern auch Berichte über Fabelwesen wie Basilisken oder Einhörner. Letztere haben mir immer besonders gut gefallen, da gerade dort die Sichtweise oft eine ganz andere war als heutzutage.
 
Abgesehen von den wie mir scheint sehr sorgfältig und vielfältig recherchierten Texten, die verständlich und in angenehmem, nicht zu trockenem Stil die Erwähnungen der Tiere in Handschriften, ihre Bedeutung für die damalige Zeit und allgemein etwas zur Erscheinung der Wesen wiedergeben, enthält das Buch auch zahlreiche Illustrationen aus eben jenen historischen Quellen. Ich war sofort hin und weg von den vielen Bildern, muss ich gestehen, einfach weil es unglaublich faszinierend ist, wie entweder komplett fern unserer Realität die Tiere dargestellt wurden oder anders herum wie ähnlich sie der heutigen Sicht doch schon sind. Teilweise sind ganze Doppelseiten mit Bildern gefüllt und haben mich in Staunen versetzt, ich liebe es einfach.
 
Inhaltlich war das Buch für mich trotz mangelnder Geschichtskenntnis ein Highlight schlechthin, aber gerade bei so einem aufwändig produzierten Exemplar möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auch auf die Ausstattung des Bandes einzugehen. Einzig ein strenger Farbgeruch, der von den Seiten ausgeht, hat mir das Lesevergnügen etwas gedämpft, aber allein schon das Gefühl der dicken Blätter mit den hochwertigen Illustrationen hat mich sofort wieder an den Inhalt gefesselt und ins Schwärmen versetzt.
 
Das Buch besitzt einen separaten Schuber zum Schutz, allein das ist eigentlich schon einen Luftsprung vor Freunde wert. Dass der Schuber jedoch ähnliche Leinen-Details wie das Buch besitzt und zum Schutz vor Absinken des Buchschnitts durch das Gewicht der Seiten eine kleine Erhöhung in der Mitte aufweist, die eben jenes verhindern soll, hat mein Bücherherz nicht nur zum Schmelzen gebracht sondern regelrecht in Flammen gesetzt vor Begeisterung. Noch nie habe ich einen so gut durchdachten und zum Buch passenden Schuber gesehen, Hut ab!
 
Mein abschließendes Fazit fällt etwas länger aus dieses Mal. Natürlich ist das Buch keine schmale Investition, weder was den tatsächlichen Umfang, noch was den Preis betrifft. Für viele ist das eine Menge Geld, mich eingeschlossen, doch wenn man aufhört, das Buch als reine persönliche Bespaßung zu sehen und anfängt, es als wissenschaftliches, sorgsam zusammengetragenes Werk zu betrachten, schaut die Sache in meinen Augen schon ganz anders aus. Hier fließen unglaublich hochwertiges Design und Ausstattung mit vielfältiger Recherchearbeit zusammen zu einer Wissenssammlung, die jede Abteilung mittlerer Geschichte, egal ob in einer privaten oder öffentlichen Bibliothek, zweifellos bereichert.
 
Mir hat das Bestiarium seit seiner Ankunft jeden Tag versüßt, einfach nur durch den Anblick im Regal, weil ich weiß, was für ein fantastisches Buch ich dort stehen habe und wie glücklich ich mich schätzen kann, dass es ausgerechnet den Weg zu mir gefunden hat.
Von mir bekommt dieses unglaubliche Werk, dieses wunderschöne, lehrreiche, detaillierte und so eine große Bandbreite an Wissen umfassende Werk, wie könnte es auch anders sein, 5 von 5 Sternen. 
⭐⭐⭐⭐⭐🐉