Titel: Ey hör mal!
geschrieben von Gulraiz Sharif
geschrieben von Gulraiz Sharif
übersetzt von Sarah Onkels, Meike Blatzheim
ISBN: 978-3-03880-054-5
Preis (Print): 15,00€
Hardcover, 208 Seiten
erschienen am 16.02.2022
empfohlen ab 12 Jahren
Klappentext:
Es sind Sommerferien und der fünfzehnjährige Mahmoud stellt sich auf lange Tage außerhalb seines Plattenbau-Viertels am Rand von Oslo ein. Norwegische Norweger verreisen in den Sommerferien, aber was machen mittellose Ausländer? Doch dieser Sommer wird anders. Denn die Familie erhält Besuch von Onkel Ji aus Pakistan und Mahmoud soll ihm die Stadt zeigen. Onkel Ji ist fasziniert von dem fremden Land, doch dann beginnt auch er sich zu fragen, ob mit Ali, Mahmouds kleinem Bruder, etwas nicht stimmt. Denn Ali spielt mit Puppen und benimmt sich nicht so, wie ein Pakistani-Junge sich benehmen sollte …
(Quelle Daten, Text & Cover inkl. Copyright: Arctis Verlag)
„Ey hör mal“ ist ein Buch, was
mich in einem riesigen Zwiespalt zurückgelassen hat. Inhaltlich ist
die Geschichte von Mahmoud ein klares und eindeutiges Highlight! Aber
stilistisch bin ich ziemlich aufgelaufen. Da das auch anderen noch so
gehen könnte, empfehle ich, völlig abseits davon, wie sehr einem
der Klappentext zusagt, vorab in eine Leseprobe reinzuschnuppern,
damit es keine bösen Überraschungen bezüglich der Erzählweise
gibt. Hätte ich das vorher gewusst.. ich weiß nicht, ob ich dann
auch zu der Geschichte gegriffen hätte, so sehr ich auch vom Inhalt
begeistert war. Ich behaupte mal, entweder feiert man den
Schreibstil, oder man findet ihn schwierig.
Mahmoud erzählt mit extremstem Slang,
vielen Kraftausdrücken und sehr ausgeprägter Umgangssprache voller
Alter's, Diggah's und Bro's. Das Ganze im Gespräch zu hören ist
eine Sache, daran gewöhnt man sich vielleicht. Aber das „voll so
die ganze Zeit über krass zu lesen“, um es in seinem Stil zu
formulieren, hat mich viele, viele Nerven gekostet. Mag sein, dass
das die Authentizität verstärkt. Will ich nicht abstreiten. Aber
ich behaupte mal, etwas weniger extrem hätte es auch getan und mir
zudem das Lesen erheblich erleichtert.
Unabhängig vom Stil ist der Inhalt
allerdings ein wahres Juwel. Mahmoud erzählt mit unerwartet viel
Humor, aber auch vielen ernsten Passagen und erstaunlich
tiefgründigen Gedankengängen aus der Sicht eines pakistanischen
Jungen, wie es in einem europäischen Land wie Norwegen für
eingewanderte Familien zugeht. Wie sehr sich die Kultur
unterscheidet, was gut läuft, was schlecht läuft, und das schürt
Verständnis. Er schafft eine Brücke zwischen der Leserschaft und
seinem Alltag, einem Alltag, der für viele von uns wohl nur schwer
vorstellbar ist. Hiebe mit dem Schlappen gehören in seiner Familie
einfach dazu, und irgendwie kriegt er es hin, dass ich das nicht
verurteilt, sondern angenommen habe. Er ist sich der Unterschiede zum
Beispiel in der Erziehung sehr gut bewusst und spricht sie offen an,
genauso wie bekannte Klischees oder Vorurteile. Das hat etwas
entwaffnendes und unglaublich sympathisches, und bringt einen dazu,
die eigenen Gedanken zu reflektieren.
Der Handlungsstrang um Mahmouds Bruder
Ali hat mich sehr berührt. An Reaktionen gibt es innerhalb der
Familie alles, von bestärkend und verständnisvoll bis zum
kompletten Ausraster und riesiger Intoleranz. Aber ich fand alles
davon nachvollziehbar und (teils muss ich sagen „leider“, wie im
Fall von Mahmouds Vater) realistisch dargestellt. Auch die
Entwicklung des Ganzen hat mich überzeugt und selbst wenn das Ende
relativ offen gestaltet ist, fand ich es super. Es war genau so, wie
es war, perfekt. Im ganzen Verlauf der Offenbarung von Alis Gefühlen
war ich immer wieder verblüfft über Mahmouds weise Aussagen. Er hat
so viele Dinge von sich gegeben, so viele unheimlich sympathische
Dinge über Toleranz und Menschlichkeit, darüber, gut so zu sein,
genau wie man ist, dass man mit diesen Zitaten ein ganzes Notizbuch
hätte füllen können.
Während ich die Rezension so schreibe,
wird mir noch mal bewusst, wie gut mir der Inhalt wirklich gefallen
hat. Rein von der Story her kann ich keinen Kritikpunkt aufbringen
und würde dem Buch die volle Sternzahl geben, aaaaber.
Aber da ist leider, leider, leider der
Schreibstil. Und der hat mir das Leseerlebnis echt mühsam gestaltet,
er hat mich genervt und es geschafft, dass ich für ein gerade mal
knapp 200 Seiten starkes Buch eine ganze Woche brauche. So gern ich
des Inhalts wegen würde, kann ich darüber einfach nicht hinweg
sehen.
Mein Fazit:
Ich habe mit dem
Erzählstil ebenso sehr gekämpft, wie ich den Inhalt geliebt habe.
Das macht es mir sehr schwer, eine vernünftige Bewertung zu finden,
die beiden Extremen gerecht wird. Des Inhalts wegen werden es 3,5
Sterne. Und des Inhalts wegen werde ich dort, wo nur ganze Sterne
möglich sind, auch auf 4 aufrunden.
⭐⭐⭐,5