Sonntag, 2. Oktober 2022

Rezension zu "We fell in love in october" (Inka Lindberg)

Bibliografische Daten zum Buch:
Titel: We fell in love in October
geschrieben von Inka Lindberg 
Altersempfehlung: ab 16 Jahren 
ISBN: 978-3-96976-028-4 
Erscheinungstermin:
02.09.2022 (E-Book)
13.09.2022 (Paperback) 
Seiten: 416
Preis (Print): 15,00€

Klappentext:
 
Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Lisa auf jeden Fall nicht die Ausbildung zur Bankkauffrau, das Genörgel ihrer Eltern und den übergriffigen Kollegen. Kurzentschlossen kauft sie ein Ticket in die nächste Großstadt Köln und landet über Couchsurfing in der WG der Tätowiererin Karla.
Ihr offenbart sich eine neue Welt: Partys, existenzielle Lebenskrisen und völlig überraschende Gefühle. Aber wie soll es weitergehen – mit ihrem Leben und ihrem festen Freund Max, der auf sie wartet? Mit Unterstützung ihrer Oma Sybille fängt sie an, ihr Leben neu zu ordnen. Denn das alte will sie auf keinen Fall zurück.
(Quelle Daten, Text & Cover inkl. Copyright: Moon Notes/Oetinger)
We fell in love in October ist eine der intensivsten queeren Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe. Obwohl das Buch eigentlich gar nicht so dick ist, hatte ich das Gefühl, die Protagonistin Lisa nicht nur über Monate, sondern direkt über Jahre begleitet zu haben. Und das meine ich nicht auf eine langweilige, „das Buch hat sich gezogen“-Art und Weise, sondern durch und durch positiv.
 
Ich muss aber zunächst gestehen, dass ich anfangs extrem Probleme mit Lisa und ihrer weltfremden Art hatte. Ja, sie lebte ihr komplettes Leben in einem kleinen Provinzkaff in Bayern, wo ungekämmte Haare auf der Straße direkt von den neugierigen Nachbarn hinter der Gardine abgespeichert und beim nächsten Kaffeekränzchen ausgiebig belästert werden. Und dennoch erwarte ich von einer 18-Jährigen, dass ihr der Begriff queer zumindest grob geläufig ist oder sie immerhin nicht in eine Schockstarre verfällt, wenn sie dann plötzlich in der Großstadt in einer FLINTA*-Bar zwei Frauen sieht, die sich küssen. Lisa denkt so derart verbohrt und steckt in ihren Gewohnheiten fest, dass sie gefühlt ständig von einem schrägen Kommentar zur nächsten unsensiblen Frage stolpert.
 
Aber! Und das ist das, was ich ihr hoch anrechne: Sie lernt schnell und wird stetig offener. Man kann sich nicht von heute auf morgen aus dem befreien, was einem viele Jahre lang vorgelebt wurde, das ist ganz klar. Vor allem nicht, wenn man selbst nicht weiß, wer man eigentlich sein möchte. Und dafür durchläuft Lisa im Laufe des Buches eine enorme Entwicklung.
Der Vorteil, der besteht, weil Lisa so unerfahren ist, ist, dass die Lesenden Stück für Stück zusammen mit ihr in das Thema LGBTQIA+ eingeführt werden. Nicht alle haben sich schon intensiv damit auseinandergesetzt und hier fallen relativ viele Begrifflichkeiten, die vielleicht Fragen aufwerfen könnte.
 
Lisas Reise vom Kaff nach Köln konnte man dank ihrer Ich-Perspektive direkt aus der ersten Reihe miterleben. Sie hat am Ende eine aufregende 360 Grad Wendung hinter sich, lernt sich komplett neu kennen, sodass ich sie nur bewundern kann. Meine anfängliche Skepsis ihr gegenüber wich dank der authentischen Ausführungen ihrer Gefühle bald, seien sie manchmal auch noch so kompliziert.
Durch diverse Rückblicke erhält man Zugang zu ihrer Vergangenheit, die Lisa jahrelang selbst sehr erfolgreich unterdrückt hat, man lernt sie besser zu verstehen. In ihr kämpfen Sicherheit und Gewohnheit gegen Selbstbestimmung und -verwirklichung, zwei Aspekte, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Gepusht wird wieder Zwiespalt noch zusätzlich durch Lisas unerträgliche Mutter sowie den emotionslosen Freund, der zuhause auf sie wartet.
 
Die WG dagegen, die Lisa in Köln aufnimmt, ist ein wunderbarer bunter Haufen. Maja entpuppt sich bald als wertvolle Freundin und Karla löst Gefühle in Lisa aus, die sie zunächst kaum einzuordnen weiß. Karla war mit Abstand die spannendste Figur, ich habe in Büchern noch nie jemanden wie sie getroffen. Mutig, sarkastisch, taff und er weiß, was er will, genau das Gegenteil von Lisas Unsicherheiten.
 
Die Beziehung von Karla und Lisa ist einzigartig. Ein Zusammenspiel wie das der zwei ist mir noch nie begegnet, allerdings ist auch hier nicht alles frei von Drama. Lisa verhält sich manchmal unheimlich egoistisch. Selbstfindung rechtfertigt keinesfalls das Spielen mit dem Gefühlen anderer, sei es bewusst oder aus Nachlässigkeit. Allerdings war es mir zu keinem Zeitpunkt zu viel Streit, sondern hielt ein gesundes Maß ein.
 
Mein Fazit:
Eine sehr emotionale Geschichte mit Protagonisten, die eine enorme Entwicklung im Verlauf durchmachen, selbst wenn Lisa zu Beginn nicht gerade viele Sympathiepunkte gewinnt. Auch ihr Freund Max sowie ihre Mutter vermiesten mir das Leseerlebnis zeitweise. Dem gegenüber stehen viel Gefühl, ein bisschen aufregendes Drama und eine Menge Aufklärungsarbeit. Einfach super!
Für mich reicht es für sehr gute 4,5 von 5 Sternen. 
⭐⭐⭐⭐,5