Donnerstag, 18. Februar 2021

Rezension zu "Einfach nur Fußball spielen" (Michael Stilson)

Bibliografische Daten:
Titel: Einfach nur Fußball spielen
Autor: Michael Stilson
Verlag: Arctis
ISBN: 978-3-03880-041-5
Erscheinungstermin: 19.02.21
Preis: 18,00€
Format: Hardcover, 256 Seiten

Klappentext:
Der sechzehnjährige Fredrik Markussen steht vor dem wichtigsten Spiel seiner jungen Karriere, dem Finale um die nationale Meisterschaft. Er ist in bestechender Form und der Traum von einem Profivertrag in Reichweite. Doch in den Tagen vor dem großen Finale ändert sich alles: Auf einmal muss Fredrik sich mit seinem Vater, Vereinsvertretern und einem Berater auseinandersetzen und sich darüber klar werden, was ihm tatsächlich wichtig ist – der Fußball, seine Familie oder seine erste Liebe zu seiner Jugendfreundin Line. Und dann, kurz vor dem Spiel, erfährt Fredrik, dass er nicht auf seiner Stammposition als rechter Flügelstürmer, sondern als Rechtsverteidiger spielen soll …
(Quelle Daten, Text & Bild: Produktseite bei W1-Media)
Fußball ist eines dieser Dinge, womit ich mich nie größer auseinander gesetzt habe. Ich habe keine Ahnung, was ein Abseits ist, und vor dem Fernseher zu sitzen, während 22 Menschen einem Ball hinterherlaufen, empfand ich auch nie als sonderlich fesselnd. Ausnahme war das WM-Finale 2014, aber da war die Gesellschaft, in der ich geschaut habe, spannender als das Spiel. (Shame on me)
 
Und dennoch habe ich nach diesem Buch gegriffen. Ich habe lange überlegt, einfach weil ich dem Buch nicht unrecht tun wollte, indem ich es lese und das etwas feststelle, was ich von vornherein schon wusste, nämlich dass ich kein Fußball mag und das auch noch mit einer schlechten Bewertung quittieren muss. 
Doch ich wurde schlussendlich davon überzeugt, dass das Buch mehr zu bieten hat als Fußball, dass es nicht nur um Sport geht, sondern auch andere Themen angesprochen werden, wichtige Themen. Freundschaft, erste Liebe, erwachsen werden und schwierige Entscheidungen treffen, all das hat Platz neben dem Sport gefunden, ihn ergänzt und damit ein Debüt entstehen lassen, was mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
 
Keine Ahnung wie, aber Arctis schafft es immer wieder aufs Neue, Jugendbücher zu verlegen, die still und heimlich aus der Masse herausstechen. Selbst wenn dieses Buch bisher nicht so stark durch Social Media ging wie all die unzählbaren gehypten Titel, so denke ich doch, dass es das definitiv verdient. Es trifft den Nerv der Heranwachsenden und ich habe mich oft selbst wieder in meine Teenie-Zeit zurückversetzt gefühlt, weil mir das von Fredrik Erlebte sehr vertraut vorkam.
 
Ich muss gestehen, dass wir einen etwas holprigen Start hatten, Fredrik und ich. Das Buch beginnt mit einem Prolog in der Gegenwart, man wird kalt ins Geschehen geworfen und das gefiel mir. Man wird direkt mit einer schwierigen Situation konfrontiert und ist unendlich gespannt, wie sie sich aufklären wird, doch ehe das geschehen kann, geht die Reise erst einmal eine Woche in die Vergangenheit, um den Weg zum Jetzt zu beleuchten. Ab hier hätte ich mir eine deutlichere Figureneinführung gewünscht, doch man muss sich Fredriks bisheriges Leben, seine Familiensituation und auch seinen Charakter selbst erarbeiten. Stück für Stück kommen alle wichtigen Informationen ans Licht, doch ich wäre an der Stelle als Leser gern ein wenig energischer an die Hand genommen worden. 
 
Fredrik in seinem Alltag zu beobachten, war wie mich selbst zu beobachten. Er ist eher der ruhige, fokussierte Typ, der zuhause bleibt und auf seine Ziele hinarbeitet, während die anderen auf den Geschmack gekommen sind, hemmungslos Party zu machen. Mir ist diese Phase noch gut in Erinnerung, wie alle um mich herum auf einmal anfingen, zu rebellieren, ihre Grenzen auszutesten und mir immer fremder wurden, während ich daheim saß und Bücher las. 
Ich mochte den Protagonisten und es hat mir in der Seele weh getan, zu sehen, wie sehr er mit dem Druck von außen bezüglich seiner Zukunft zu kämpfen hat.
 
Jeder in diesem Buch wusste vermeintlich besser als Fredrik, was der Junge eigentlich will und was das Beste für ihn ist. Jeder setzt ihm einen Floh ins Ohr und auch wenn es nicht alle böse meinen, so tat es mir doch leid, ihn so hin und her gerissen zu sehen. Den Wunsch, jemanden zu finden, der ihm einfach nur sagt, was er tun soll, kann ich zu 100% nachvollziehen, aber genau wie jeder andere muss auch Fredrik lernen, dass es damit nicht getan ist. Entscheidungen treffen gehört zum erwachsen werden dazu. 
 
Im Verlaufe des Buches gibt es eine Figur, die mir ein besonders großer Dorn im Auge war. Fredriks Vater ist ein egoistischer, wenn nicht gefährlicher Mann und eine unnachgiebige Mauer in der Entwicklung seines Sohnes. Aber auch so etwas ist leider realistischer, als man sich wünschen würde.
 
Das Ende des Buches hat mich zunächst sehr enttäuscht. Ich hätte mir ein komplett anderes ausgemalt, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr ging mir auf, dass es so, wie es geschehen ist, viel wahrscheinlicher und näher an der Realität ist, als ich mir eingestehen möchte und als das, was ich mir gewünscht hätte. Im Leben läuft es nun mal nicht wie im Märchen, nicht jeder bekommt, was er möchte und was für ihn das Beste ist. Auch das ist eine Erkenntnis, die Fredrik machen musste, selbst wenn ich sie ihm so gern erspart hätte.
 
Und das wichtigste hätte ich beinahe vergessen: Mein Highlight des Buches war überraschenderweise tatsächlich ein Fußballspiel! Die Art und Weise, wie der Autor die Gedanken und Gefühle von Fredrik währenddessen schildert, die wichtigen Details wiedergibt, die exakten Abläufe skizziert, all das fand ich ungeheuer faszinierend und hat selbst einem Amateur wie mir ein Kopfkino gezaubert, was mir vermittelte, ich stünde direkt neben den Spielern und würde aus erster Hand mitfiebern. Einfach fantastisch!
 
Mein Fazit: 
An einigen Stellen des Buches hätte ich mir andere Wendungen gewünscht, andere Verhaltensweisen der Figuren, andere Entscheidungen. Aber das heißt nicht, dass es so, wie es gekommen ist, schlecht ist. Es ist echt, es ist realistisch, es bildet das Leben eines jungen Erwachsenen mit all den Höhen und Tiefen ab, genau so wie viele es entweder gerade erleben oder schon erlebt haben. Man fühlt es, man kennt es.
Von mir gibt es 5 von 5 Sternen. 
⭐⭐⭐⭐⭐