Dienstag, 26. Januar 2021

Rezension zu "Der Ruf des Schamanen" (Davide Morosinotto)

Bibliografische Daten:
 
Titel: Der Ruf des Schamanen - Unsere abenteuerliche Reise in das Herz der Dunkelheit
Ab 12 Jahre 
432 Seiten, 148 x 215 mm 
Erschienen am: 26. 01. 2021 
ISBN: 978-3-522-20274-9 
Gebundene Ausgabe, Preis: 18,00€
 
Klappentext:
Seit Stunden schon kämpfen sich Laila und ihr Freund El Rato durch den dichten Urwald. Sie müssen unbedingt den alten Schamanen finden. Er ist Lailas letzte Hoffnung, denn sie leidet an einer unheilbaren Krankheit. Doch allmählich bricht die Nacht herein und die Dunkelheit ist voller Gefahren ...
(Quelle Daten, Text & Bild: Produktseite bei Thienemann-Esslinger)
Der Ruf des Schamanen versprach ein Abenteuer durch den Dschungel, eine harte Reise durchs grüne Dickicht, die den Protagonisten alles abverlangt und in Gefahr bringt. Ich kann nach dem Lesen des Buches ganz klar sagen, dass die Inhaltsangabe sehr irreführend war und der Dschungel zwar eine (durchaus wichtige) Rolle spielt, dennoch keine so große, wie im Klappentext angepriesen. Ich möchte in der Hinsicht ungern spoilern, daher keine konkreten Angaben von mir dazu. Aber es sei gesagt, dass man länger auf den Urwald warten muss, als man nach dem Überfliegen der Inhaltszusammenfassung vielleicht glauben mag. Das hat keinen negativen Einfluss auf meine Bewertung, da mich die Geschichte an sich zu 100% überzeugt hat. Dennoch empfinde ich es als gerecht, andere darauf hinzuweisen.
 
Die Reise der Kinder Laila und El Rato beginnt also wie gesagt viel früher als gedacht, sodass es sich ergibt, dass man auch schon die Ursache und den Auslöser des Reisewillens der beiden direkt „live“ miterlebt und Laila bei der Diagnose begleitet. Ich persönlich fand es passend, dass man nicht alles fertig präsentiert, sondern tatsächlich eine Entwicklung ihrer Krankheit mitbekommt, so bedrückend das auch sein mag.
 
Laila ist ein starkes, mutiges und kämpferisches Mädchen, sie ihr Schicksal auf keinen Fall so hinnehmen will, wie es sich ihr auftut. Das fand ich beeindruckend und zugleich tat sie mir unfassbar leid, weil ich unsicher war, ob dieses Buch die Art Geschichte bieten würde, bei der wie durch ein Wunder das ultimative Happy End entsteht. Ich habe um ehrlich zu sein gehofft, dass es nicht so etwas wie eine Wunderheilung für sie geben würde, einfach weil es in meinen Augen nicht gepasst hätte, was natürlich nicht heißt, dass ich es der Protagonistin nicht gönnen würde.
 
El Rato ist der Begleiter von Laila, ein schräger Vogel und extrem weltfremd, der Laila zwar treu ergeben ist und ihr rührend zur Seite steht, insbesondere als sich das Buch dem Ende zuneigt. Doch ab und an hätte ich dem Bengel gern die Löffel lang gezogen. Klar, er ist naiv und hat Gründe dafür. Doch manchmal blieb mir wirklich nur noch, den Kopf zu schütteln über sein Verhalten und seine Gedanken. 
 
Dadurch, dass die Erzählperspektiven regelmäßig wechseln, kommen neben einigen anderen Figuren Laila und El Rato beide zu Wort, was mir wie immer sehr gut gefällt. Ich liebe es, wenn man nicht nur einer, in diesem Fall auch Gott sei Dank aus ihrer Ich-Perspektive erzählenden, Figur in den Kopf schauen kann, sondern gleich mehreren. Das sorgt für Abwechslung und es entsteht auch meist nicht so ein starker Hang dazu, nur mit der Erzählstimme mitzufiebern, sondern sich tatsächlich auf alle einzulassen. Durch kleine Tiersymbole am Kapitel-Anfang kann man einordnen, er gerade spricht, was mir persönlich zu Beginn noch etwas schwer gefallen ist, da ich die Tiere meinem eigenen Gefühl folgend ganz anders verteilt hätte. Aber was weiß ich schon.
 
Die Geschichte von Laila und El Rato beginnt langsam, nimmt an Fahrt und auch Gefahr auf, und hält Wendungen bereit, die ich im Vorfeld nie in Betracht gezogen hätte. Ich war positiv überrascht, wie tiefgründige Botschaften sich hier verstecken, wie viele brenzlige Situationen die Figuren meistern müssen, was für enge und unerwartete Beziehungen entstehen und wie sehr ich das Ende lieben würde. Wie der Name des Buches schon vermuten lässt, kommt es auch nicht ganz ohne Übernatürliches aus, aber ich empfand es als authentisch dargestellt und den Anteil angenehm bemessen.
 
Doch eines hat all dem noch die Krone aufgesetzt, und das waren die Illustrationen. Für mich das absolute Highlight in diesem Buch, denn solch einen lebendigen Text habe ich selten gelesen. Die Sätze führen ein Eigenleben, transportieren Emotionen nicht nur mit Worten, sondern auch optisch, sie stützen das Gelesene auf eine einzigartige Weise. Ich war wirklich beeindruckt und habe mich über jede Seite mit einer Zeichnung oder einem Bild, in die sich der Text eingefügt hat, gefreut wie ein Honigkuchenpferd.
 
Mein Fazit:
Ein fantastisches Buch, welches mir großes Lesevergnügen beschert hat. Selten habe ich die innere optische Ausarbeitung eines Buches so sehr genossen wie in diesem. Die Geschichte nimmt einen mit auf eine exotische Reise, sie bietet sympathische und sorgfältig ausgearbeitete Figuren und eine wichtige Message. Was wünscht man sich mehr?
Natürlich erhält das Buch volle 5 von 5 Sternen von mir. 
⭐⭐⭐⭐⭐