Mittwoch, 20. Januar 2021

Rezension zu "Für uns macht das Universum Überstunden" (A. Meredith Walters)

Bibliografische Daten:

Titel: Für uns macht das Universum Überstunden
Autor:  A. Meredith Walters
EUR 12,90 € [DE], EUR 13,30 € [A]
dtv bold
Aus dem Amerikanischen von Bettina Münch
400 Seiten, ISBN 978-3-423-23014-8
Klappentext:
Ellie hat keine Zukunft und verdient es auch nicht anders: Als Jugendliche war sie mit ihrer Clique für den Brand im Haus ihres Mitschülers Flynn verantwortlich. Sie wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, Flynn verließ die Stadt. Doch jetzt, sechs Jahre später, taucht er wieder auf – Flynn, der Freak mit Asperger. Und Ellie muss sich eingestehen, dass da ihm gegenüber nicht nur Schuld ist, sondern so viel mehr. Sie ist in ihn verliebt. Und war es auch damals schon. Nur konnte sie vor ihrer Clique nicht zu ihm stehen. Als Flynn ihre Gefühle erwidert, muss Ellie sich fragen: Ist sie stark genug für diese Liebe?
(Quelle Daten, Text & Bild: Produktseite bei dtv)
Für uns macht das Universum Überstunden ist ein spezielles Buch. Ich denke, die Grenze zwischen gut und schlecht verschwimmen hier teilweise, aber die Inhalte haben auch das Potenzial zu polarisieren. Mich haben besonders die Figuren und ihr Verhalten oft vor eine Weggabelung gestellt, an der ich nie wusste, will ich links oder rechts lang, finde ich das gerade gut oder schlecht. Gefällt mir das Ende, gefällt es mir nicht. Gefallen mir die Entwicklungen oder gefallen sie mir nicht.
 
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt. Einmal aus der des Sicht jungen Flynn viele Jahre in der Vergangenheit und aus der Sicht der gegenwärtigen Ellie. Beide berichten aus ihrer Ich-Perspektive und besonders die von Flynn fand ich spannend. Umso mehr hätte ich mir gewünscht, auch mal seine derzeitige Sicht lesen zu können, wie er in der Gegenwart empfindet, wie es ihm geht, was er denkt. Seine Erkrankung prägt seine Verhaltensweisen stark und es wäre für den Leser sicher aufschlussreich gewesen, sich darin hineinversetzen zu können.
 
Ellie erzählt mit einer ordentlichen Portion Selbstironie und Bitterkeit. Sie ist in ihrem Leben ganz unten angekommen und das merkt man ihr auch an. Mich hat es so in den Fingern gejuckt, ihr mal eine ordentliche Ohrfeige zu verpassen, und sie aufzurütteln, auch wenn ich denke, dass es nichts genützt hätte. Menschen müssen Hilfe wollen, um sie auch annehmen zu können, das zeichnet sich im Laufe der Geschichte mehrfach deutlichst ab. Zu sehen, wie Ellie und auch ihre sogenannten Freude ihr Leben einfach wegwerfen, hat mich wütend gemacht und zugleich war ich hilflos. Ich habe nach jeder Seite einfach nur gehofft, dass Ellie es schafft, aus alten Mustern auszubrechen und etwas aus sich zu machen.
 
Die Figuren rund um Ellie und Flynn sind ein Haufen hoffnungsloser Fälle. Sie gehören zu der Art Mensch, wegen der man die Straßenseite wechseln würde vor Unbehagen, die man morgens in der Gasse liegen sieht und wegen der man sich aufgrund ihres zu ausschweifenden Lebensstils beim Vermieter oder der Polizei beklagt. Kurz gesagt: Ein Albtraum der seinesgleichen sucht.
Die Autorin hat es geschafft, das Abgewrackteste vom Abgewracktesten zu produzieren. Alle sind gefangen in einer Abwärtsspirale, aus der sie sich allerdings offenbar auch nicht entziehen wollen. Manche bemitleidenswert, manche gefährlich und bei manchen ist man einfach nur schockiert über die grenzenlose Verantwortungslosigkeit und Selbstsucht, mit denen sie ihr eigenes und in einem besonderen Fall auch das Leben eines anderen kleinen Menschen gefährden. Ellies „Freundin“ Dania hat all dem die Krone aufgesetzt. Faszinierend und bedrückend zugleich, was die Autorin da für Menschen gebastelt hat.
 
Die Beziehung von Ellie und Flynn ist in meinen Augen komplizierter als kompliziert. Flynn ist aufgrund seiner Eigenarten sowieso mit Vorsicht zu genießen, wenn man etwas falsch macht in seiner Nähe, hat das oft schnelle und heftige Konsequenzen. Dass besonders Ellie mit ihrer düsteren Vergangenheit und auch Gegenwart da die richtige für ihn sein soll, vor allem in Anbetracht dessen, wie sehr sie Flynns Leben in der Schulzeit auf den Kopf gestellt hat, scheint dem Leser erst einmal schräg.
 
Ellie schwankt zwischen Zuneigung zu Flynn und der Wahrung ihres Gesichts ihrer Clique gegenüber, entsprechend chaotisch ist auch ihr Verhalten. Mal widerwärtig, mal freundlich, mal verletzend und laut, mal lustig und liebenswert. Mir hat das gerade für den Jungen extrem leid getan. Das wäre schon für einen nicht kranken Menschen verwirrend und Flynn belastet dieses Hin und Her besonders. Dadurch, dass er so schnell verzeihen kann, wird er auch immer und immer wieder aufs Neue weggestoßen. Es war einfach herzzerreißend, wie schleppend sich die Beziehung der beiden entwickelt und immer neue Dämpfer verpasst bekommt.
 
Was ich jedoch am meisten an all dem beeindruckt hat, ist, wie scheinbar mühelos die Autorin mit den Worten spielt. Sie zaubert großartige Formulierungen und formt Gebilde aus Emotionen und Gedanken. Ich bin oft über die Wortgewandtheit gestolpert, die man in einem Roman mit einer Protagonistin die Ellie zunächst wahrscheinlich nicht erwarten würde.
 
Mein Fazit:
Dieses Buch ist nichts für Leser, die einen locker-leichten Liebesroman suchen. Es geht hart zu, man wird schockiert und traurig sein, man wird vor Unverständnis die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und man wird viele Figuren hassen. Aber man bekommt auch eine zarte Liebesgeschichte, deren Fortbestehen zu jedem Zeitpunkt am seidenen Faden hängt. Man hofft und bangt, man betet und flucht.
Ich habe lange an diesem Buch zu knabbern gehabt und mich nicht mit allem darin abfinden können. Und dennoch hat es mich beschäftigt und berührt, daher gibt es 4 von 5 Sternen. 
★★★★☆

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