Man erwartet einen Einzelband und bekommt einen Reihenauftakt.. Aber einen wirklich guten! Hab bei Amazon auch schon das Cover des zweiten Bandes gesehen, zu hübsch! 💗
„Geschick war nicht nur der
Sammelbegriff für mehrere belanglose Talente – es war ein
Leuchten, das die Adern jedes Ebenbürtigen strahlen ließ.“
Seit vielen Jahren ist es in England
nun üblich, dass fast jeder für 10 Jahre in seinem Leben
Sklavenarbeit verrichten muss. Nur fast jeder, weil die oberste
Elite, die sogenannten Ebenbürtigen, die über Geschick,
magische Kräfte und Fähigkeiten, verfügen, diesen Dienst nicht nur
nicht antreten müssen, sondern sich die Sklaven auch noch selbst
halten dürfen.
Für Luke Hadley
und seine gesamte Familie steht es eigentlich schon fest, dass sie
ihr Jahrzehnt gemeinsam auf Kyneston, einem riesigen Anwesen einer
mächtigen Familie verbringen sollen, doch Luke landet wider Erwarten
getrennt von seinen Liebsten in der Sklavenstadt Millmoor und
schuftet dort um sein Leben, während seine Eltern, seine große
Schwester Abi und die jüngste Daisy den Launen der Jardines
ausgesetzt sind.
Das Cover macht
einen düsteren, geheimnisvollen Eindruck. Man kann erahnen, dass die
zwei Gesichter, die zu Teilen sichtbar sind, einem Jungen und einem
Mädchen gehören, vielleicht Luke und seiner Schwester Abigail.
Allemal vermittelt es einem das schaurige Gefühl, dass die
Geschichte etwas mystisches, finsteres bereithält, und ich würde
mich im Buchhandel durchaus davon angezogen fühlen.
Es gibt in diesem
Buch viele einzelne Handlungsstränge, die parallel zueinander an
verschiedenen Orten verlaufen und gegen Ende zusammenführen. Es wird
alles von einem personalen Erzähler berichtet, sodass man nicht von
einer Ich-Perspektive in die nächste schlüpfen muss, sondern eine
bessere Draufsicht auf die Geschehnisse hat und sich den Personen
dennoch verbunden fühlt und mit ihnen mitfiebern kann.
Es gibt die
Perspektive auf Luke, der die meiste Zeit in Millmoor verbringt, auf
seine Schwester Abi und verschiedene Mitglieder ihrer
Gebieterfamilie, die das Geschehen auf Kyneston und einigen
Parlamentssitzungen festhalten. Die ständigen Wechsel bringen
Schwung in die Geschichte und finden immer an der richtigen Stelle
statt, sodass nie Langeweile aufkommt, auch wenn ich mich am Anfang
etwas eingewöhnen musste. Der Schreibstil ist angenehm, nicht
kompliziert, auch wenn einige Begriffe, die für mich einer Erklärung
bedurften, erst später wirklich Beachtung gefunden haben.
Luke ist einer der
bedeutendsten Protagonisten in diesem Buch. Zu Beginn als er ohne
seine Familie nach Millmoor geliefert wird, ist er ganz der
schüchterne, einsame kleine Junge, der sich nichts sehnlicher
wünscht, als nach Kyneston hinterher geholt zu werden. Doch mit der
Zeit entwickelt er sich zu einem starken, zähen Kerl, der seinen neu
gefundenen Mut oft unter Beweis stellen kann. Ich finde es
beeindruckend, wie er sich der Situation anpasst und nicht nur das
Beste draus macht, sondern sogar über seine Grenzen hinausgeht.
Abi hingegen ist
auf Kyneston als Büroangestellte beschäftigt und unterstützt den
mittleren der drei Söhne des Jardine-Clans. Jenner scheint im
Gegensatz zu seinen Brüdern Silyen und Gavar ein erträglicher
Umgang zu sein, und bald ist es um Abis Herz geschehen. Doch vom
Gesetz her ist sie nur eine Sklavin und es wäre unter der Würde
eines Ebenbürtigen, eine Beziehung mit einer Gewöhnlichen, speziell
einer im Sklavendienst, zu beginnen.
Die Charaktere in
dieser Geschichte empfand ich allesamt als gut ausgearbeitet. Einige
habe ich sofort ins Herz geschlossen, andere habe ich geradezu
gehasst, das hat es sehr authentisch gemacht.
Die Idee, dass
jeder Bürger einmal in seinem Leben Sklavenarbeit zu verrichten hat,
war komplett neu für mich. Die geschichtlichen Ereignisse, die
dahinter stecken, habe ich wegen der vielen ungewöhnlichen Namen nur
grob nachvollziehen können, aber mit Geschichte habe ich es generell
nicht so, sei es nun unsere deutsche Historie oder die fiktive in
Büchern. Doch das hat meiner Faszination für die gegenwärtigen
Ereignisse keinen Abbruch getan, ich habe nach anfänglichen
Motivationsschwierigkeiten alles mit Spannung verfolgt.
Es gibt dennoch
Kleinigkeiten, die mich stören. Zunächst einmal hatte ich mir die
Sklavenarbeit etwas zehrender vorgestellt, wie es in Millmoor auch
der Fall war. Aber von Kyneston war ich regelrecht enttäuscht,
wurden die Mitglieder der Familie Hadley dort doch wie stinknormale
Angestellte behandelt, von Sklaverei keine Spur. Selten wurde mal
jemand zurechtgewiesen, vor allem nicht auf grobe, körperliche Art
und Weise, wie man es bei staatlichem Eigentum ohne Rechte erwarten
könnte. Wenn man seinen Dienst also nicht wie die Mehrheit in einer
Sklavenstadt verrichtet sondern auf Privatgrund, gebärdet sich das
eher als unbezahlte, normale Arbeitszeit.
Zweitens ging ich
mit einigen Verständnisfragen in die erste Hälfte des Buches, die
für meinen Geschmack teilweise etwas zu spät aufgeklärt wurden,
wohingegen ich mit noch sehr viel mehr Fragen aus dem Buch wieder
herausgehe, was mich zu drittens führt: Schon wieder eine Trilogie.
Im Grunde genommen bin ich ein Fan von Reihen, doch da ich zuerst
einen Einzelband erwartet/erhofft hatte, stand ich dann da wie ein
Ochs' vorm Berg, als das Buch sich dem Ende entgegen neigte und keine
Auflösung in Sicht kam.
Dennoch freue ich
mich auf die folgenden Bände, denn dieses Buch hat zwei Dinge, die
andere Bücher so nicht haben. Es ist es sowohl für männliche als
auch für weibliche Jugendliche geeignet, denn es gibt durch die
vielen Erzähler nicht „die eine“ typische Liebesgeschichte, die
sich neben der Handlung weiterentwickelt, sodass der Fokus mehr auf
der Sklavenpflicht liegt.
Zum anderen hat ein
Autor es mit einer Wendung in seinem Buch seit langem tatsächlich
geschafft, mich zu überraschen, da ich dies so absolut nicht
vorausgesehen, geschweige denn auch nur geahnt hatte.
Mein Fazit:
Ein
gelungener Auftakt einer Fantasy-/Scifi-Reihe, die es definitiv wert
ist, gelesen zu werden. Für alle jungen Erwachsenen geeignet, die
gern mal was neues entdecken und auch eine Portion Magie
vertragen.
Vier von fünf Sternen
★★★★☆