Freitag, 2. November 2018

Rezension zu "Hazel Wood - Wo alles beginnt" (Melissa Albert)

Über vorablesen habe ich mir dieses Buch ertauscht, eine wirklich tolle Community! Dieses Buch hat die Gemüter ziemlich gespalten, jetzt ist es an euch, euch eine Meinung dazu zu bilden. 

„Damals war ich bereits alt genug gewesen, um mir darüber im Klaren zu sein, dass Althea mich nicht wirklich beobachtete. Doch an diesem Punkt begann ich mich zu fragen, ob jemand anderes es tat.“ (S.71)

Alice und ihre Mutter Ella sind, seit das Mädchen denken kann, auf der Flucht vor dem Unglück. Überall, wo sie sich niederlassen, geschehen nach einiger Zeit komische Dinge, die Ella mit Alices Großmutter Althea Proserpine, einer berühmten Märchenerzählerin, in Verbindung bringt. Nachdem es durch einen Brief von Altheas Tod erfährt, wähnt sich das Mutter-Tochter-Gespann zunächst in Sicherheit, bis Ella verschwindet und Alice auf sich allein gestellt ist. Alle Spuren führen nach Hazel Wood, dem Anwesen von Althea, doch genau von dort soll Alice sich ihrer Mutter zufolge fern halten..

Das Cover ist natürlich der Blickfang schlechthin. Das glitzernde Blau, in dem die Blätter gefärbt sind, die den Titelschriftzug umspielen, wirkt kühl und eisig und insgesamt entsteht der Eindruck, dass dich dahinter etwas mysteriöses, düsteres verbirgt. Der Klappentext lässt ebenfalls auf märchenhafte Geheimnisse schließen, sodass allein die äußere Aufmachung des Buches schon um Kauf angebettelt hat.

Erzählt wird das Buch aus der Ich-Perspektive von Alice. Man nimmt so aus erster Hand am Geschehen teil und wird zum Teil der Geschichte, wortwörtlich. Der Schreibstil ist bestimmt nicht jedermanns Sache, man muss sich für das Buch auf jeden Fall Zeit nehmen, sonst empfindet man es eventuell als holprig geschrieben, denn durch die zahlreichen Metaphern und Vergleiche wird das Lesen manchmal etwas müßig und es entsteht das Gefühl, man käme nicht voran.
Doch eben jede Intensität der Erzählung sorgt für den ganz besonderen Gänsehautfaktor, den man an den düsteren Passagen nicht unterschätzen sollte.

Alice ist nicht die typische weibliche Protagonistin. Sie hat eine ungewöhnliche Kindheit hinter sich, war mit Ella nur auf der Flucht von Ort zu Ort. Außerdem hat sie einen Charakter, der sie relativ schnell zornig werden lässt, sodass ihre Mutter sie früher regelmäßig beruhigen musste, wenn sie kurz vor einem Wutausbruch stand. Im späteren Verlauf erfährt man auch den Grund dafür. Insgesamt strahlt Alice einen Ernst aus, den man von 17-Jährigen Hauptpersonen aus Büchern sonst eher nicht erwarten würde, sie hat rein gar nichts von einer unbeschwerten, aufgeweckten Highschool-Schülerin oder einem zarten, empfindlichen Mädchen von nebenan.
Zu ihrer Mutter Ella hat sie eher ein freundschaftliches Verhältnis, die beiden sind sich jeweils der wichtigste Mensch der Welt und nicht selten macht es den Eindruck, dass Alice sich mehr um ihre Mutter kümmert als anders herum. Denn Ella ist ein windiger Charakter, sie tut alles mit besten Absichten für sich und Alice, handelt aber oft zu impulsiv und bedenkt die Folgen nicht immer.

Die Geschichte und ich hatten einen etwas holprigen Start. Nach der Leseprobe wollte ich unbedingt weiterlesen, verlor jedoch zunehmend den Faden und war nicht mehr wirklich in der Geschichte drin. Es dauerte etwas, bis die Ereignisse mich wieder packen konnten und lange blieb das dann auch so. Doch als die Erzählung weiter und weiter ins märchenhafte abdriftete, tat ich mich schwer, allem einen Sinn zuzuordnen. Das fing sich jedoch schnell wieder und ich konnte den Rest des Buches wieder genießen, denn ich muss sagen, es hat sich wirklich zu lesen gelohnt. Die Idee mit den Märchen eines anderen Landes, des Hinterlandes, die Althea in ihrem Buch zusammengetragen hat, finde ich sehr gut gelungen. Leider erfährt man nicht den Inhalt aller, doch diejenigen, die man zu lesen bekommt, sind allesamt düster und grausam ohne jegliche Moral, was sich auch auf die Stimmung des Gesamtwerkes niederschlägt. Oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass hinter jeder Ecke weiteres Unheil lauert, und so etwas mag ich normalerweise gar nicht haben, doch zu dieser Geschichte hat es gepasst wie die Faust aufs Auge.
Das Ende hatte ich persönlich mir im Vorfeld etwas anders erhofft, jedoch bin ich mit dem, wie es geendet hat, auch zufrieden.

Mein Fazit:
Spannend-finsterer Fantasyroman mit vielen märchenhaften Elementen, der wahrscheinlich die Gemüter spaltet, mir jedoch nach einigen Anlaufschwierigkeiten sehr gut gefallen hat.
Obwohl als Jugendliteratur deklariert, ist es definitiv nichts, was man zwischen Tür und Angel lesen kann, daher nicht zu empfehlen, wenn man nur leichte Kost sucht, sondern nur für Leser, die Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen mitbringen. Für letztere allerdings kann dieses Buch eine wahre Freude sein, wenn man sich mit dem Thema Märchen und der intensiven Erzählweise anfreundet.

Lieb gemeinte vier von fünf Sternen
★★★★☆