Über vorablesen habe ich mir dieses Buch ertauscht, eine wirklich tolle Community! Dieses Buch hat die Gemüter ziemlich gespalten, jetzt ist es an euch, euch eine Meinung dazu zu bilden.
„Damals war ich bereits alt genug
gewesen, um mir darüber im Klaren zu sein, dass Althea mich nicht
wirklich beobachtete. Doch an diesem Punkt begann ich mich zu fragen,
ob jemand anderes es tat.“ (S.71)
Alice und ihre Mutter Ella sind, seit
das Mädchen denken kann, auf der Flucht vor dem Unglück. Überall,
wo sie sich niederlassen, geschehen nach einiger Zeit komische Dinge,
die Ella mit Alices Großmutter Althea Proserpine, einer berühmten
Märchenerzählerin, in Verbindung bringt. Nachdem es durch einen
Brief von Altheas Tod erfährt, wähnt sich das
Mutter-Tochter-Gespann zunächst in Sicherheit, bis Ella verschwindet
und Alice auf sich allein gestellt ist. Alle Spuren führen nach
Hazel Wood, dem Anwesen von Althea, doch genau von dort soll Alice
sich ihrer Mutter zufolge fern halten..
Das Cover ist natürlich der Blickfang
schlechthin. Das glitzernde Blau, in dem die Blätter gefärbt sind,
die den Titelschriftzug umspielen, wirkt kühl und eisig und
insgesamt entsteht der Eindruck, dass dich dahinter etwas
mysteriöses, düsteres verbirgt. Der Klappentext lässt ebenfalls
auf märchenhafte Geheimnisse schließen, sodass allein die äußere
Aufmachung des Buches schon um Kauf angebettelt hat.
Erzählt wird das Buch aus der
Ich-Perspektive von Alice. Man nimmt so aus erster Hand am Geschehen
teil und wird zum Teil der Geschichte, wortwörtlich. Der Schreibstil
ist bestimmt nicht jedermanns Sache, man muss sich für das Buch auf
jeden Fall Zeit nehmen, sonst empfindet man es eventuell als holprig
geschrieben, denn durch die zahlreichen Metaphern und Vergleiche wird
das Lesen manchmal etwas müßig und es entsteht das Gefühl, man
käme nicht voran.
Doch eben jede Intensität der
Erzählung sorgt für den ganz besonderen Gänsehautfaktor, den man
an den düsteren Passagen nicht unterschätzen sollte.
Alice ist nicht die typische weibliche
Protagonistin. Sie hat eine ungewöhnliche Kindheit hinter sich, war
mit Ella nur auf der Flucht von Ort zu Ort. Außerdem hat sie einen
Charakter, der sie relativ schnell zornig werden lässt, sodass ihre
Mutter sie früher regelmäßig beruhigen musste, wenn sie kurz vor
einem Wutausbruch stand. Im späteren Verlauf erfährt man auch den
Grund dafür. Insgesamt strahlt Alice einen Ernst aus, den man von
17-Jährigen Hauptpersonen aus Büchern sonst eher nicht erwarten
würde, sie hat rein gar nichts von einer unbeschwerten, aufgeweckten
Highschool-Schülerin oder einem zarten, empfindlichen Mädchen von
nebenan.
Zu ihrer Mutter Ella hat sie eher ein
freundschaftliches Verhältnis, die beiden sind sich jeweils der
wichtigste Mensch der Welt und nicht selten macht es den Eindruck,
dass Alice sich mehr um ihre Mutter kümmert als anders herum. Denn
Ella ist ein windiger Charakter, sie tut alles mit besten Absichten
für sich und Alice, handelt aber oft zu impulsiv und bedenkt die
Folgen nicht immer.
Die Geschichte und ich hatten einen
etwas holprigen Start. Nach der Leseprobe wollte ich unbedingt
weiterlesen, verlor jedoch zunehmend den Faden und war nicht mehr
wirklich in der Geschichte drin. Es dauerte etwas, bis die Ereignisse
mich wieder packen konnten und lange blieb das dann auch so. Doch als
die Erzählung weiter und weiter ins märchenhafte abdriftete, tat
ich mich schwer, allem einen Sinn zuzuordnen. Das fing sich jedoch
schnell wieder und ich konnte den Rest des Buches wieder genießen,
denn ich muss sagen, es hat sich wirklich zu lesen gelohnt. Die Idee
mit den Märchen eines anderen Landes, des Hinterlandes, die Althea
in ihrem Buch zusammengetragen hat, finde ich sehr gut gelungen.
Leider erfährt man nicht den Inhalt aller, doch diejenigen, die man
zu lesen bekommt, sind allesamt düster und grausam ohne jegliche
Moral, was sich auch auf die Stimmung des Gesamtwerkes niederschlägt.
Oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass hinter jeder Ecke weiteres
Unheil lauert, und so etwas mag ich normalerweise gar nicht haben,
doch zu dieser Geschichte hat es gepasst wie die Faust aufs Auge.
Das Ende hatte ich persönlich mir im
Vorfeld etwas anders erhofft, jedoch bin ich mit dem, wie es geendet
hat, auch zufrieden.
Mein Fazit:
Spannend-finsterer Fantasyroman mit
vielen märchenhaften Elementen, der wahrscheinlich die Gemüter
spaltet, mir jedoch nach einigen Anlaufschwierigkeiten sehr gut
gefallen hat.
Obwohl als Jugendliteratur deklariert,
ist es definitiv nichts, was man zwischen Tür und Angel lesen kann,
daher nicht zu empfehlen, wenn man nur leichte Kost sucht, sondern
nur für Leser, die Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen mitbringen.
Für letztere allerdings kann dieses Buch eine wahre Freude sein,
wenn man sich mit dem Thema Märchen und der intensiven Erzählweise
anfreundet.
Lieb gemeinte vier von fünf Sternen
★★★★☆